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Entlastet

Helmut Hils litt unter erheblichen Wasseransammlungen im Bauchraum. Regelmäßig musste der Bauch punktiert und das Wasser abgelassen werden. Nach einer langen Leidensgeschichte verschaffte ihm schließlich ein Pumpsystem, das ihm im Krankenhaus Bad Cannstatt implantiert wurde, wieder mehr Lebensqualität. 

Eine verschleppte Virusgrippe könnte der Auslöser gewesen sein, vermutet Helmut Hils, die sein Herz schließlich in die Knie zwang. Früher hatte er viel Sport getrieben, war regelmäßig mit seiner Frau zum Skifahren in die Dolomiten gefahren und hatte sich in seinem Heimatort bei Villingen-Schwenningen im örtlichen Fußballclub aktiv engagiert. Auch beruflich hatte er keinen Schreibtisch-Job, sondern war meist draußen unterwegs. Irgendwann jedoch wurde er immer kurzatmiger, schaffte kaum noch eine Treppe, ohne eine Pause einlegen zu müssen. Herzminderleistung, medizinisch Herzinsuffizienz, diagnostizierten die Ärzte schließlich. Auf dem Fußballplatz war Helmut Hils kaum noch anzutreffen und auch ans Skifahren war nicht mehr zu denken.

Aber es sollte noch heftiger kommen. Die Herzschwäche führte zu einem Rückstau des Blutes bis  in die Pfortader, über die das Blut aus dem Darm und der Milz durch die Leber geleitet wird. Und so arbeitete  schließlich auch die Leber immer schlechter. Die Leber aber verarbeitet nicht nur Nährstoffe aus der Nahrung und sorgt dafür, dass Giftstoffe aus dem Blut gefiltert werden, sondern sie produziert auch Eiweiße, die für den Stoffwechsel im Körper wichtig sind. Eines dieser Eiweiße ist Albumin, das den Flüssigkeitsanteil innerhalb und außerhalb der Blutgefäße reguliert. Ein Albuminmangel führt daher zu Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe, sogenannte Ödeme und vor allem im Bauchraum sammelt sich Wasser. Ein Blutstau in der Pfortader verstärkt die Bildung von Bauchwasser zusätzlich. Bauchwassersucht wird die Erkrankung genannt oder medizinisch Aszites.

Der Bauch musste immer häufiger punktiert werden

Schon bald konnten die Ärzte die Bauchwasserbildung nicht mehr wirksam mit Medikamenten oder Albumingaben eindämmen. „Im Jahr 2015 war ich schließlich zwölf Mal im Krankenhaus, weil der Bauch punktiert werden musste, um das angesammelte Bauchwasser abzulassen“, berichtet Helmut Hils. Zehn bis zwölf Liter Wasser kamen dabei jeweils zusammen. Und nicht immer ging dabei alles glatt. „Wenn eine Komplikation möglich ist, dann passiert sie irgendwann auch bei mir“, hat er den Eindruck. Einmal lief ein Teil des Wassers unter die Haut, ein anderes Mal kam es zu einer Infektion. Vier bis fünf Tage blieb er nach der Punktion jeweils im Krankenhaus, im Fall eine Komplikation auch länger.

So konnte es nicht weitergehen, fand Helmut Hils und begann im Internet zu recherchieren. Dabei stieß er auf das alfapump-System. Das implantierbare System sollte das angesammelte Bauchwasser automatisch in die Blase abpumpen und damit nicht nur große Wasseransammlungen verhindern, sondern auch Punktionen überflüssig machen. Über den Hersteller fand er zudem eine Klinik, die das alfapump-System implantieren könnte: die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Standort Krankenhaus Bad Cannstatt.

Operation im Krankenhaus Bad Cannstatt

„Privatdozent Dr. Hennig, der stellvertretende Chefarzt  dort, war auch gleich sehr aufgeschlossen, als ich ihn anrief und nach der Möglichkeit einer alfapump-Implantation bei mir fragte“, erinnert sich Helmut Hils an den ersten Kontakt. Kurz darauf stellte er sich im Krankenhaus Bad Cannstatt vor und nach Untersuchung und Bewertung der bisherigen Krankengeschichte erklärte sich Privatdozent Dr. René Hennig bereit, das alfapump-System bei Helmut Hils zu implantieren. „Die Operation selbst ist technisch nicht besonders kompliziert“, erläuterte PD Dr. Hennig. „Aufgrund der Herzinsuffizienz und der geschädigten Leber sind die Patienten, die für ein alfapump-System in Frage kommen, aber sehr krank und geschwächt.“ Deshalb sei es wichtig, für die Behandlung dieser Patienten einen ausgewiesenen Leberspezialisten wie Professor Dr. Tilo Andus, den Ärztlichen Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und internistische Onkologie, sowie eine Anästhesie mit der Expertise und dem hohen Standard wie im Krankenhaus Bad Cannstatt zur Verfügung zu haben.

Allerdings musste zunächst noch die Krankenkasse davon überzeugt werden, die Kosten für die Operation zu übernehmen. Denn das alfapump-System ist noch vergleichsweise neu und noch nicht im Leistungskatalog der Kassen enthalten. Auch hier wurde Helmut Hils wieder selbst aktiv. Er rechnete der Kasse vor, was zwölf Klinikaufenthalte für die Bauchwasserpunktion kosten. Hinzu kommen die teuren Medikamente, mit denen dem Körper das fehlende Albumin zugeführt werden muss. Die Rechnung überzeugte auch die Krankenkasse.

In einer knapp einstündigen Operation implantierte PD Dr. Hennig Ende 2015 seinem Patienten zunächst einen Silikonkatheter in die Bauchhöhle, über den das Bauchwasser abgeleitet wird. Ein zweiter Katheter wurde in die Blase implantiert. Die Pumpe, die das Bauchwasser abpumpt, befestigte PD Dr. Hennig im Fettgewebe der Bauchwand direkt unter der Haut und verband die beiden Katheter mit der Pumpe. Über ein induktives Ladegerät wird die Pumpe aufgeladen, Fördermengen und -zeiten können über ein Notebook programmiert werden.

Auch für PD Dr. Hennig war es erst der zweite Patient, den er mit dem neuartigen Pumpsystem versorgte. Zuvor hatte das alfapump-System es einer schwerkranken Tumorpatientin mit einem Gallengangskarzinom ermöglicht, das Krankenhaus zu verlassen und ihre letzten Lebenswochen zu Hause zu verbringen.

Regelmäßige Kontrolle und Einstellung der Pumpe

Zurück zu Hause wurde Helmut Hils von seinem Arzt weiter versorgt. In mehreren Schritten wurde die Pumpmenge dem Bedarf angepasst. Denn einerseits soll möglichst wenig Bauchwasser den Körper belasten, andererseits darf die Pumpe nicht trockenlaufen, weil das für den Patienten schmerzhaft sein kann. Alle zwölf Minuten pumpt die Pumpe inzwischen tagsüber eine festgelegte Menge Bauchwasser ab. Nachts bleibt die Pumpe abgeschaltet, damit der Patient schlafen kann und nicht wegen der vollen Blase aufwacht. „Wenn die abgepumpte Menge nicht mehr reicht, merke ich das sofort, dann wird die Pumpe neu eingestellt“, berichtet Helmut Hils. Genauso spürt er sehr schnell, wenn er zu wenig Kalium und Calzium zu sich nimmt, das mit dem Bauchwasser dem Körper entzogen wird. Dann stellen sich zum Teil heftige Muskelkrämpfe ein. Sonst aber arbeitete die Pumpe zunächst einwandfrei. „Im Jahr 2016 hat die Pumpe bei mir genau 184 Liter Bauchwasser abgepumpt“, erzählt er. Das System registriert die abgepumpten Mengen. Die Werte werden dann beim Laden des Pumpenakkus ausgelesen.

Ende 2016 jedoch ließ sich der Pumpenakku nicht mehr richtig aufladen. Ein Austausch der Pumpe stand damit an, für den Helmut Hils wieder ins Krankenhaus Bad Cannstatt zu PD Dr. Hennig fuhr. „Eigentlich sollte die Pumpe zwei bis drei Jahre halten“, berichtet der Chirurg. Der Austausch sei aber unproblematisch, da nur die Pumpe und nicht auch die Silikonkatheter gewechselt werden müssen. Damit ist auch keine für den Patienten belastende Vollnarkose nötig. Im Zusammenhang mit dem Pumpenwechsel erfuhr PD Dr. Hennig zudem, wie gut es seinem Patienten mit der Pumpe gegangen war. „Tatsächlich hatte ich den Benefit unterschätzt, den die Patienten durch die Pumpe haben “, sagt er inzwischen. „Wir können zwar mit dem System die Patienten nicht heilen, aber wir können ihnen viel Lebensqualität zurückgeben.“

Lebensqualität zurückgewinnen

So wie auch der dritten Patientin, der PD Dr. Hennig ein alfapump-System implantiert hat. Die junge Frau, Anfang 20, leidet unter einer seltenen Erkrankung, die als Morbus Waldmann bezeichnet wird, bei der es auch zu Bauchwassersucht, Aszites, kommt. „Über einen Dauerkatheter, ähnlich dem einer Bauchfelldialyse, hatte sie täglich selbst ein bis zwei Liter Bauchwasser abgelassen – mit dem ständigen Risiko einer Infektion.“ Die junge Frau hatte sich deshalb immer mehr zurückgezogen und kaum noch Kontakte zu Freunden. Nach der Operation habe sich ihr Leben grundlegend geändert, berichtete sie  anschließend PD Dr. Hennig. Sie sei wieder ein ganz anderer Mensch, hatte auch ihre Mutter erzählt. Da das alfapump-System keinen Kontakt zur Außenwelt hat, ist zudem das Infektionsrisiko sehr gering.

In Baden-Württemberg war die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie im Krankenhaus Bad Cannstatt die zweite, in der das System eingesetzt wurde. Der Hersteller nennt in Deutschland aktuell 15 Zentren, die das alfapump-System anbieten. Inzwischen hat das Klinikum Stuttgart die Implantation des Systems als sogenannte „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode – NUB“ mit den Krankenkassen verhandelt. Die Bad Cannstatter Klinik ist damit die bislang einzige Klinik in Baden-Württemberg, in der die Krankenkassen den Einsatz des Systems ohne Einzelfallprüfung bezahlen.

Große Zufriedenheit bei den Patienten und Ärzten

Vielen Patienten, die unter schwerem Aszites leiden und denen Medikamente nicht mehr helfen, könne das alfapump-System erhebliche Erleichterung und einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität bringen, ist Dr. Hennig überzeugt. Zudem könne die sehr teure  Albumin-Substitution verringert oder ganz eingestellt werden, weil der Körper durch das regelmäßige Abpumpen des Bauchwassers den Bedarf besser anpasst. Für Patienten mit einer Leberzirrhose, die auf eine Transplantation warten, könne die Pumpe zudem eine gute Überbrückungstechnik darstellen.

Auch Helmut Hils ist mit dem alfapump-System hochzufrieden. Je größer die Menge an Bauchwasser war, die sich zuvor über Wochen angesammelt hatte, desto kurzatmiger war er geworden. Der geschwollene Bauch hatte den gesamten Organismus belastet, so dass er sich kaum mehr bewegen konnte. Kurzzeitig hatte die Punktion des Bauchwassers dann jeweils für Erleichterung gesorgt, schon bald aber war das nachlaufende Bauchwasser wieder zur Belastung geworden. Mit dem regelmäßigen Abpumpen ist das nun vorbei. Helmut Hils ist sicher nicht geheilt und durch seine Herzinsuffizienz stark eingeschränkt, aber er kann wieder am Leben teilnehmen, hat deutlich an Lebensqualität gewonnen. Der Sport fehle ihm, vor allem das Skifahren, erzählt der 64-Jährige. Aber: „Man muss an das denken, was noch geht, und nicht daran, was nicht mehr geht. Sonst fällt man in ein Loch“, weiß er und blickt positiv in die Zukunft. Aber er hat auch erfahren: „Man hat viele Freunde, wenn man sie zählt, aber nur wenige, wenn man sie braucht.“ Die Freunde, die dann aber trotz der schweren Erkrankung bleiben, das sind die richtigen Freunde, und davon hat er zum Glück auch einige.