Wieder im Takt
Dank medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau im Herzzentrum Klinikum Stuttgart hat die elfjährige Safa aus Afghanistan jetzt wieder das ganze Leben vor sich.
Safa lächelt, ein bisschen schüchtern, aber sie lächelt. Das freut Dr. Detlef Roser vom Herzzentrum des Klinikums Stuttgart sehr. Denn das Mädchen aus Afghanistan ist noch immer sehr schüchtern. Seit über einem Jahr ist die Elfjährige wegen dringend nötiger medizinischer Versorgung schon allein in Deutschland. Ihre Eltern und ihre sechs Geschwister hoffen sehr auf ihre baldige Rückkehr nach Afghanistan. Und Safa natürlich auch.
Was für Menschen in Deutschland Alltag ist, ist für viele Menschen in Kriegs- und Krisengebieten ein oft unbezahlter Luxus: medizinische Versorgung. Krankheiten und Verletzungen können häufig vor Ort nicht
behandelt werden. Das Friedensdorf Inter-national in Oberhausen holt deshalb verletzte und kranke Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur medizinischen Versorgung und anschließenden Rehabilitation nach Deutschland. Danach kehren die Mädchen und Jungen mit der Chance auf eine bessere, gesündere Zukunft zu ihren Familien in die Heimat zurück. Die kleinen Patient:innen kommen aus Afghanistan, aber auch aus Angola, Zentralasien und dem Kaukasus. Nur wenn eine medizinische Behandlung in der Heimat nicht möglich, diese aber in Deutschland erfolgsversprechend ist, nur wenn es einen Klinikplatz zur kostenlosen Behandlung des Kindes in Deutschland gibt und die Familie des Kindes selbst sich keine Behandlung im Ausland leisten kann – nur dann haben kleine Patient:innen eine Chance auf eine Auf-nahme im Friedensdorf International.
Schweren Herzfehler festgestellt
Safas ist eine dieser kleinen Patient:innen. Das Friedensdorf International holte das Mädchen wegen einer schweren Missbildung der Harnblase nach Deutschland. In Oberhausen angekommen fiel auf, dass die Elfjährige für ihr Alter körperlich unterentwickelt und nur schlecht belastbar war. Die Mitarbeiter:innen des Vereins ließen die Gedeihstörung in einer Klinik abklären. „Leider kam dabei heraus, dass Safa zusätzlich noch einen sehr schweren angeborenen Herzfehler hat“, sagt Raissa Neumann, Mitarbeiterin und Betreuerin von Safa im Friedensdorf International. Schnell wurde klar, dass das urologische Thema nicht in Angriff genommen werden konnte, bevor nicht der Herzfehler behandelt worden war. Die Mitarbeiter:innen von Friedensdorf International machten sich auf die Suche nach einer Klinik, die Safas schweren Herzfehler behandelt. Beim Herzzentrum des Klinikums Stuttgart und dem Förderverein der Herzchirurgie stießen sie schließlich auf offene Ohren.
„Dank der erfolgreichen operativen Korrektur des
angeborenen Herzfehlers hat Safa
jetzt noch das ganze Leben vor sich.“
Dr. Detlef Roser
Mit über 2.200 Herzoperationen pro Jahr gehört die Herzchirurgie des Herzzentrums des Klinikums Stuttgart zu den Hochleistungszentren in Deutschland. Das Behandlungsspektrum umfasst alle herzchirurgischen Behandlungen von der Breitenmedizin bis zur Spezial-OP und alle Altersstufen, also vom Neugeborenen bis zu hochbetagten Patient:innen. Neugeborene und Kinder werden im hoch spezialisierten Kinderherzzentrum behandelt.
Mehrere Defekte
Safa hatte einen vier Zentimeter großen Defekt an der Vorhofscheidewand. Zudem schloss die Mitralklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer, die eine seltene und komplexe Fehlbildung für das Alter aufwies, nicht richtig. Dadurch kam es zu einer hohen Belastung für die rechte Herzkammer und zu Hochdruck im Lungenkreislauf. Doch die Expert:innen im Herz-zentrum konnten Safa helfen. „Als Erstes haben wir im Kinderherzteam ein umfassendes Behandlungskonzept für den angeborenen Herzfehler und den bei Safa bereits vorhandenen Lungenhochdruck erstellt“, so Prof. Dr. Gunter Kerst, Ärztlicher Direktor der Kinderkardiologie.
Hochspezialisierte Expert:innen
In einer dreistündigen Operation reparierten dann Dr. Ventsislav Sheytanov und PD Dr. Jelena Pabst von Ohain die Klappe und verschlossen das Loch in der Vorhofscheide-wand. „Unsere Spezialist:innen der Kinderherzchirurgie und der kinderkardiologischen Intensivstation haben einfach eine super Leistung erbracht“, freut sich Prof. Dr. Joerg Seeburger, Ärztlicher Direktor der Herzchirurgie. „Es ist uns gelungen, die Klappe ohne Fremdmaterial zu reparieren, was für das weitere Wachstum des Kinderherzens von entscheidender Bedeutung ist. Jetzt kann Safa im Alltag ein Leben ohne Einschränkungen führen“, erklärt der federführende Operateur und Herzchirurg Dr. Ventsislav Sheytanov. Durch die Zusammenarbeit mit Dr. Caroline Schepp, Leiterin der Kinderkardioanästhesie, und dem Kinderkardiotechniker konnte der gesamte Eingriff ohne Fremdblutgabe durchgeführt werden. Die Patientin wurde postoperativ auf der kinderkardiologischen Intensivstation unter Leitung von Prof. Dr. Gunter Kerst behandelt.
Liebevoll betreut
Schon am Tag nach der Operation konnte die künstliche Beatmung beendet werden. Mitarbeitende aus dem Klinikum und dem Friedensdorf International kümmerten sich in den Tagen nach der OP liebevoll um das Mädchen. „Safa spricht gut Deutsch inzwischen, so dass das mit der Verständigung kein Problem war“, sagt Detlef Roser, und, dass so ein komplizierter medizinischer Eingriff in Afghanistan ganz sicher nicht möglich gewesen wäre. „Dank der erfolgreichen Herz-OP hat Safa jetzt noch das ganze Leben vor sich.“
Förderverein ermöglicht Operation
Möglich war die erfolgreiche Operation von Safa nur dank der finanziellen Unterstützung durch den Förderverein der Herzchirurgie Stuttgart. Bereits seit 20 Jahren ermöglicht der Verein die medizinische Behandlung von Kindern in Stuttgart, die in ihrer Heimat nicht behandelt werden können. „Seit einigen Jahren arbeiten wir mit dem Friedensdorf International zusammen“, erzählt erzählt Detlef Roser. Die Mitarbeiter:innen von Friedensdorf International kümmern sich um die medizinische Vor abklärung im Heimatland der kleinen Patient:innen, organisieren das Visum und den Transport nach Deutschland. Das Herzzentrum Klinikum Stuttgart übernimmt in Kooperation mit dem Kinderherzzentrum die medizinische Behandlung. Mitglieder im Förderverein sind ausschließlich Mitar beiter:innen im Herzzentrum Klinikum Stuttgart. Finanziell unterstützt wird der Verein aber zum Beispiel auch von niedergelassenen Kardiolog:innen. „Leider können wir aus finanziellen Gründen trotzdem immer nur einem Kind im Jahr die Behandlung bei uns im Herzzzentrum ermöglichen“, bedauert Roser, der den Verein vor vielen Jahren gegründet hat. Unvergesslich bleibt dem Kardiologen ein Mädchen aus Gambia, dem der Förderverein eine Herzklappen-Operation in Stuttgart ermöglichte. „Das Mädchen ist jetzt eine junge Frau und studiert in ihrer Heimat Medizin.“
Safa ist jetzt wieder im Friedensdorf International in Oberhausen – gemeinsam mit vielen kleinen Patient:innen – auch aus Afghanistan. Sobald sie sich ganz von ihrer Herz- Operation erholt hat, wird sie in Deutschland noch wegen ihrer schweren Blasenmissbildung operiert werden. Und dann geht es hoffentlich bald wieder nachhause in das kleine Dorf an der Grenze zu Pakistan, zu ihren Eltern und Geschwistern.
Herzzentrum Klinikum Stuttgart
Das Herzzentrum Klinikum Stuttgart gehört mit jährlich über 2.200 am Herzen operierten Patient:innen zu den ausgewiesenen Hochleistungszentren für Herzmedizin in Deutschland. Das Leistungsspektrum der Klinik umfasst komplexe Herzklappenrekonstruktionen, unterschiedliche Formen des Herzklappenersatzes einschließlich der Ross-OP sowie Kombinationseingriffe aus Bypass- und Klappenoperationen. Weitere Spezialgebiete sind rhythmuschirurgische Eingriffe und die Chirurgie der Hauptschlagader (Aortenchirurgie). Die Chirurgie angeborener Herzfehler und die Kinderherzchirurgie haben sich innerhalb der Herzchirurgie zu einem Spezialgebiet entwickelt, so dass nur wenige herzchirurgische Zentren diese Eingriffe regelmäßig durchführen.
Das Zentrum für angeborene Herzfehler im Herzzentrum Klinikum Stuttgart ist seit Jahrzehnten spezialisiert auf die umfassende Versorgung von Patient:innen mit angeborenen Herzerkrankungen. Es wird von Prof. Dr. Gunter Kerst, Kinder- und EMAH-Kardiologe, und von PD Dr. Jelena Pabst von Ohain, Chirurgin für angeborene Herzfehler und Kinderherzchirurgin, geleitet und besteht aus dem GBA-konformen Kinderherzzentrum und dem zertifizierten überregionalen Zentrum für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH). Das ZAHF bietet die Chirurgie und interventionelle Therapie angeborener Herzfehler einschließlich der Kinder- und Neugeborenenherzchirurgie sowie die interventionelle Elektrophysiologie zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen in jedem Lebensalter.
Optimale Behandlung direkt nach der Geburt
Die Häufigkeit angeborener Herzfehler liegt bei etwa einem Prozent der Neugeborenen und gehört damit zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen des Menschen. Aufgrund enormer Fortschritte in der Pränataldiagnostik kann ein angeborener Herzfehler oft schon vor der Geburt erkannt und dadurch direkt nach der Geburt optimal behandelt werden. Das Kinderkrankenhaus des Klinikums Stuttgart mit ZAHF bietet alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, um ein Kind mit angeborenem Herzfehler umfassend zu behandeln. Durch die Fortschritte in den operativen und interventionellen Techniken in den letzten Jahren erreichen heute immer mehr Patient:innen mit Herzfehler das Erwachsenenalter. Im ZAHF Stuttgart arbeiten Kinderkardiolog:innen und Chirurg:innen für angeborene Herzfehler eng
mit anderen wichtigen Fachdisziplinen (z. B. Kardiologie, Herzchirurgie, Gefäßchirurgie) zusammen, um eine hochmoderne und zukunftsgerichtete kardiovaskuläre Medizin für die EMAH Patient:innen anzubieten