Anästhesie bei kinderherzchirurgischen Eingriffen

Allgemeinanästhesie (Narkose) bedeutet die Ausschaltung des Bewusstseins und die Schmerzfreiheit während einer Operation am Herzen. Zusätzlich wird die Muskulatur medikamentös entspannt (relaxiert). Es gibt also drei Komponenten einer Anästhesie: Bewusstlosigkeit, Schmerzfreiheit und Muskelentspannung. Anders als beim Schlaf kann ein narkotisierter Mensch nicht erweckt werden. Trotzdem weiß man aus Untersuchungen, dass das Bewusstsein auch in Narkose nicht vollkommen ausgeschaltet ist, es gibt verschiedene Stadien der Narkosetiefe. Um ein „Aufwachen“ (awareness) der Kinder während einer Narkose zu verhindern setzen wir eine Kombination verschiedener Medikamente ein und setzen Geräte zur Überwachung der Narkosetiefe ein (BIS).

Anästhesisten

Alle Anästhesisten unserer Abteilung für Kinderkardioanästhesie sind Fachärzte oder Fachärztinnen für Anästhesiologie mit einer zusätzlichen Ausbildung in spezieller Intensivmedizin und weiteren Ausbildungen in Kinderintensivmedizin, Echokardiographie oder Schmerztherapie.

Kinderkardioanästhesie

Es gilt die Grundregel, dass Kinder keine kleinen Erwachsene sind. Je jünger die Kinder sind, desto mehr unterscheiden sie sich in Anatomie und Physiologie von Erwachsenen. Neben den körperlichen Unterschieden müssen wir auch die seelischen Besonderheiten von Kindern im Krankenhaus beachten. Dazu gehören die entwicklungsbedingten Besonderheiten der Narkose und der Schmerztherapie als auch die Betreuung der Eltern im Rahmen der Herzoperation ihres Kindes. Eltern können ihr Kind bei uns bis zur Türe des Operationstraktes begleiten, aber nicht in den OP-Saal selbst. Neben Gründen der Sterilität ist diese Haltung auch damit begründet, dass bei den Eltern -gerade vor einer Herzoperation ihres Kindes – sehr oft eine große emotionale Anspannung besteht, die sich auf das Kind überträgt.

Im Unterschied zu anderen kinderchirurgischen Gebieten behandelt der Kardioanästhesist das gleiche Organ wie der Kinderherzchirurg oder der Kinderkardiologe. Deshalb ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachgebiete eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. 

Als Regel kann in der Anästhesie gelten, dass je komplexer die Erkrankung und je ausgedehnter der geplante Eingriff sind, desto umfangreicher muss die Überwachung („Monitoring“) der Herz-Kreislauffunktion sein. Zusätzlich gilt unser ganz besonderes Augenmerk der lückenlosen Überwachung der kindlichen Hirnfunktion während der Herzoperation, vor allem, wenn diese den ausgedehnten Einsatz der Herz-Lungen-Maschine notwendig macht. Aus diesen Gründen gehört es zur täglichen Arbeit der Kinderkardioanästhesisten invasive Maßnahmen am Kind durchzuführen. Konkret bedeutet dies, dass in Narkose unter Ultraschallkontrolle verschiedene Katheter platziert werden müssen bevor die Operation beginnt. Dazu gehören z.B. der zentrale Venenkatheter („ZVK“)

Eine wichtige Rolle spielt für uns die sogenannte transösophageale Ultraschalluntersuchung (TEE) während der Operation. Dabei wird – in Narkose – eine dünne Ultraschallsonde in die Speiseröhre eingeführt. Da die Speiseröhre unmittelbar hinter dem Herzen verläuft ist von dort aus mit Ultraschall die Herzfunktion und das operative Ergebnis sehr gut zu beurteilen. Bei komplexen Fragestellungen und schwierigen intraoperativen Entscheidungen werden die Ultraschallbilder vom operativen Team zusammen mit den Kinderkardiologen beurteilt.

Praktischer Ablauf einer Narkose bei einer kinderherzchirurgischen Operation

Unser erster Kontakt mit Ihnen und Ihrem Kind ist das Prämedikationsgespräch. Anhand eines strukturierten Fragebogens erheben wir zusammen die Vorgeschichte und die wesentlichen Begleiterkrankungen der Kinder. Ist das Kind dazu altersmäßig in der Lage erklären wir ihm genau wie der Ablauf am folgenden Tag sein wird. Es werden die Nüchternzeiten festgelegt, die bei uns feste Nahrung bis 24 Uhr am Vorabend der OP beinhalten, sowie (Mutter-)Milch bis vier Stunden vor Narkosebeginn und klare Flüssigkeit wie Tee oder Wasser bis zwei Stunden vor Beginn der Narkose.

In der Kinderherzanästhesiologie gibt es in aller Regel nur die Vollnarkose (Allgemeinanästhesie), regionale Verfahren können in der postoperativen Schmerztherapie eine Rolle spielen. Die Auswahl der Narkosemittel richtet sich im Wesentlichen nach den besonderen Umständen der jeweiligen Herzerkrankung. Ganz allgemein aber ist zu sagen, dass in unserer Abteilung wie in den allermeisten Zentren weltweit die stark wirksamen Schmerzmittel aus der Reihe der Opioide eine Hauptrolle bei der Kinderherznarkose spielen.

Das Vorbereitungsgespräch dient auch der Vertrauensbildung. Bitte sprechen Sie alle Fragen an, die Sie interessieren. Wir nehmen uns Zeit und hoffen sehr, dass am Ende des Gespräches bei Ihnen die Gewissheit besteht, dass Ihr Kind sicher und in guten Händen sein wird.

Intravenöse Anästhesie

Bei dieser Art der Anästhesie werden die benötigten Medikamente intravenös über einen Katheter zugeführt. Integraler Bestandteil ist ein sehr stark wirksames Opioid. Zusätzlich werden häufig Propofol oder Midazolam (ein Benzodiazepin) kontinuierlich verabreicht. Die Muskulatur wird vorübergehend durch ein Relaxans (Muskelentspannungsmittel) ruhiggestellt. Diese Form der Narkose lässt sich sehr gut steuern und ist im Allgemeinen sehr gut verträglich. Vor allem Übelkeit und Erbrechen nach der Operation sind dadurch sehr selten geworden und die Aufwachphase wird meist „ruhiger“ sein als nach einer gasförmigen Zufuhr von Narkosemittel über die Beatmung.

Inhalationsanästhesie

Bei dieser Form der Allgemeinanästhesie werden die Narkosemittel in Dampfform der Einatemluft zugemischt. Bei Kindern, die ohne einen liegenden Gefäßzugang in den OP kommen ist die Einleitung der Narkose mit einem Inhalationsanästhetikum eine sinnvolle Möglichkeit, um schmerzfrei einen venösen Zugang zu legen. Wir setzen der intravenösen Anästhesie in niedriger Dosierung ein solches gas- oder dampfförmiges Narkosemittel zu, um sicher zu sein, dass während der Operation keine sogenannte „awareness“ auftritt (Wachheit während der Operation). Auch in die Herz-Lungen-Maschine können diese Mittel direkt eingespeist werden.

Regionalanästhesie

Dieses Verfahren bezeichnet eine lokale Schmerzausschaltung entweder einzelner Nerven oder in der Nähe des Rückenmarkes (Spinal- oder Periduralanästhesie). Der Vorteil der rückenmarksnahen Verfahren ist die komplette Schmerzausschaltung und die Möglichkeit der postoperativen, ausge-zeichneten Schmerztherapie. Allerdings sind diese Verfahren bei kleinen Kindern schwer durchzuführen und können nicht ganz selten durch Infektion oder Blutung katastrophale Komplikationen nach sich ziehen bis hin zur dauerhaften, kompletten Querschnittslähmung. Dieses Risiko wird noch erhöht, wenn das Blut in seiner Gerinnungsfähigkeit herabgesetzt wird, wie es z.B. für den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine notwendig ist. Vor diesem Hintergrund setzen wir diese Verfahren bis jetzt nicht ein.

Kreislauf

In der Kinderkardioanästhesie werden invasive (eingreifende) Messmethoden zur Überwachung der Kreislauffunktion eingesetzt. Zur kontinuierlichen Überwachung des Blutdruckes wird eine arterielle Kanüle verwendet, deren Anlage unter Umständen sehr schwierig sein kann, da der Arteriendurchmesser am Handgelenk bei einem Neugeborenen unter 1 mm liegt. Der zentrale Venenkatheter („ZVK“) dient teilweise ebenfalls der Kreislausteuerung. Über ihn können kreislaufwirksame Medikamente verabreicht werden und über gemessene Druckwerte Rückschlüsse auf die Herzfunktion gezogen werden. Über Blutentnahmen können in unserem eigenen Labor weitere wichtige Blutwertewährend der OP bestimmt werden.

Atmung

Die Sicherung der Atemwege des Kindes während der Operation geschieht durch einen Beatmungsschlauch („Tubus“). Über ihn erfolgt die maschinelle Beatmung über das Anästhesiegerät. In der Kinderherzanästhesie ist die Wahl des Beatmungsmusters von großer Wichtigkeit, da durch die Blutflussverhältnisse in der Lungenstrombahn bei bestimmten Herzfehlern günstig beeinflusst werden kann. Da die Schleimhäute der Luftwege der Kinder sehr zart und empfindlich sind, kann es nach der Operation durch den Tubus in einigen Fällen zu einer vorübergehenden Heiserkeit kommen, die im Einzelfall auch länger andauern kann.

Gehirn

Die Überwachung und Sicherstellung einer optimalen Hirndurchblutung der Kinder während einer Operation hat oberste Priorität. Das Gehirn eines Neugeborenen ist empfindlich und sehr gut durchblutet. Sein Anteil am Herzminutenvolumen (Blutmenge, die vom Herz pro Minute in den Kreislauf gepumpt wird) ist prozentual mehr als doppelt so groß wie beim Erwachsenen. Um Hirnschädigungen während der Operation zu vermeiden, werden verschiedene Strategien eingesetzt. Diese Methoden sind sehr empfindlich und genau.

Vorbereitung

Gegen 7.00 Uhr erhalten Kinder, die mehr wie 5 kg wiegen auf Station MA21 vom Fachpflegepersonal die sogenannte Prämedikation. Diese besteht aus einem leichten Beruhigungsmittel, das als Zäpfchen oder als Saft gegeben wird. Ca. 7.30 Uhr erfolgt der Transport des kleinen Patienten im Bett und in Begleitung von Pflegepersonal und den Eltern (wenn gewünscht) zur Türe des Operationstraktes Die Verabschiedung sollte wenn irgend möglich schon auf Station erfolgt sein, um die Kinder an der Türe durch die elterliche Sorge nicht zu beunruhigen.

Narkosebeginn

Wenige Minuten später werden die Kinder im vorgewärmten OP-Saal auf eine warme Luftmatratze gelegt, ein EKG und Sauerstoffsättigungssensor geklebt und dann beginnt mit einer Einspritzung von Narkosemittel in den Gefäßzugang die Anästhesie.

Oberstes Ziel ist für uns: keinerlei schmerzhafte Prozeduren bevor die Kinder in Narkose sind!

Narkose

Nach der Intubation (Einführen des Beatmungsschlauches in die Luftröhre) und dem Anschluss an die Anästhesiemaschine zur Beatmung und dem Messen des Blutdruckes beginnen wir mit dem Einbringen der Überwachungskatheter.

Der ZVK und die arterielle Kanüle werden unter Ultraschallkontrolle gelegt und kontrolliert.

Anschließend erfolgt die Einlage eines Blasendauerkatheters um die Urinausscheidung bilanzieren zu können. Während der ganzen Zeit wird das Kind mit Narkosemittel versorgt.

Dieser Vorgang dauert – je nach Größe des Kindes – 30 bis 60 Minuten, in Einzelfällen auch deutlich länger.

Es schließt sich die sorgfältige Lagerung mit Polstermaterialien und die Wärmeisolation des Körpers mit Watte an.

Nach Laborkontrollen, nochmaliger sorgfältiger Überprüfung aller Katheter und der ausgiebigen Desinfektion der Haut beginnt die eigentliche Operation. Als Faustregel kann gelten, dass ca. 60 bis 90 Minuten nach der Übergabe der Kinder an der OP-Türe die Herzoperation startet.

Fast-track-Verfahren

Als „fast-track“ („Überholspur“) Verfahren wird eine Narkoseform bezeichnet, bei der die am Herzen operierten Kinder am Ende des Eingriffes möglichst rasch, z.T. auch noch im OP aufgeweckt werden. Der Beatmungsschlauch wird entfernt und die Kinder atmen komplett wieder selbstständig, natürlich gut mit Schmerzmitteln versorgt.

Dieses Verfahren hat sich bei manchen Operationen („Glenn Operation“; „“Fontan-Operation“) sehr bewährt, da bei diesen Eingriffen die Eigenatmung einen positiven Effekt auf den Kreislauf hat.

Dieses Verfahren ist nur bei bestimmten Eingriffen und bei bestimmten kindlichen Voraussetzungen möglich.

Ausblick

Wir hoffen, Ihnen mit dieser kurzen Übersicht eine verständliche Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte einer Herzoperation beim Kind gegeben zu haben. Bitte zögern Sie nicht, uns bei Unklarheiten oder weitergehenden Fragen anzusprechen. Wir geben gerne Auskunft.

In dem vorliegenden Text wird wegen der übersichtlicheren Lesbarkeit die männliche Anredeform benutzt. Selbstverständlich ist im geeigneten Kontext immer die weibliche Anredeform mit eingeschlossen.