Herzklappen-Rekonstruktion
Insbesondere die undichte Mitralklappe kann in den meisten Fällen rekonstruiert werden. So wurde der Anteil der Mitralklappenrekonstruktionen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland bereits 66 Prozent aller Mitralklappen rekonstruiert. Wir streben sogar an, unsere Rekonstruktionsrate von 86 auf über 90 Prozent anzuheben.
Die Rekonstruktion einer erkrankten Aortenklappe ist dagegen nur bei speziellen Krankheitsbildern möglich. Voraussetzung ist eine weitgehend intakte Struktur der Klappentaschen. Wenn die Klappeninsuffizienz in erster Linie durch eine Erweiterung der umgebenden Hauptschlagader verursacht wird, kann mit den innovativen Techniken nach Yacoub oder David die Aortenklappe in diesen speziellen Fällen erhalten werden.
Eine für rekonstruktive Techniken günstige Situation ergibt sich bei den - häufig jüngeren - Patienten, die an einer ausschließlichen Klappeninsuffizienz leiden und deren Klappentaschen noch keine schwere Degeneration oder Verkalkung aufweisen. Sehr häufig sehen wir in diesen Fällen eine Fehlbildung mit nur zwei (bikuspid) statt der normalen drei (trikuspid) Klappentaschen und eine simultane Erweiterung der Hauptschlagader. Ein Durchschlagen einer oder mehrerer Klappentaschen wird durch spezielle Nahttechniken behoben, wodurch diese wieder in eine gute und für den Klappenschluss wichtige gemeinsame Ebene gestellt werden.
Für diese besondere Situation wurden von den Chirurgen Sir Maghdi Yacoub und Tirone David vor über 25 bzw. 15 Jahren Operationstechniken entwickelt, die eine Rekonstruktion der undichten Aortenklappe ermöglichen. Prinzip beider Techniken ist ein Ersatz der die Aortenklappe umgebenden erweiterten Hauptschlagader, dadurch wird die passive Erweiterung des Klappenapparates korrigiert. Gleichzeitig kann ein Durchschlagen einer oder mehrerer Klappentaschen durch spezielle Nahttechniken behoben werden, wodurch diese wieder in eine gute und für den Klappenschluss wichtige gemeinsame Ebene gestellt werden.
Yacoub- oder Remodellingtechnik
Bei der Yacoub- oder Remodellingtechnik wird eine Gefäßprothese aus Kunststoff den gewünschten anatomischen Verhältnissen angepasst und direkt mit dem Ansatz der Klappentaschen vernäht. Diese Technik ist vor allem dann von Vorteil, wenn der Klappenring noch nicht wesentlich erweitert ist.
David- oder Reimplantationstechnik
Bei der David- oder Reimplantationstechnik wird die Gefäßprothese über die Klappe gestülpt und diese in der Gefäßprothese neu orientiert. Für diese beiden chirurgisch anspruchsvollen Operationstechniken konnten sehr gute Langzeitergebnisse dokumentiert werden, so dass eine großzügige Anwendung bei geeigneten Patienten gerechtfertigt ist.
In unserem Haus werden diese Techniken seit 1999 angewendet und konsequent weiter entwickelt. Die meisten unserer Patienten mit einer reinen Aortenklappeninsuffizienz können inzwischen klappenerhaltend operiert werden. Sicherlich werden nicht alle dieser Klappen, insbesondere bei bikuspider Anlage und damit verbundener Gewebeschwäche, lebenslang funktionstüchtig bleiben. Der dann in einer zweiten Operation notwendige Klappenersatz, der für viele und gerade jüngere Patienten häufig eine deutliche Minderung der Lebensqualität bedeutet, kann aber meistens um viele Jahre hinausgeschoben werden.
Im Gegensatz zur Aortenklappe kann eine undichte Mitralklappe heutzutage unter Einbeziehung verschiedenster Techniken und in Abhängigkeit des Klappenschadens sowie der Gewebequalität in einem hohen Prozentsatz repariert werden. Für die Rekonstruktion der Mitralklappe gibt es je nach Defekt verschiedene erprobte Operationsmethoden. In jedem Fall wird ein ummantelter Metallring um die Klappe gelegt und dort eingenäht. Der Ring sorgt dafür, dass die Klappensegel in der richtigen Position gehalten werden, gut schließen und so den Rückfluss des Blutes verhindern.
Beispielsweise gehört ein teilweises oder komplettes Durchschlagen des hinteren Mitralsegels zu den häufigsten Ursachen einer Mitralklappeninsuffizienz. Dies entsteht durch einen Abriss der Sehnenfäden, die ausgehend von den Papillarmuskeln mit dem freien Rand des Segels verbunden sind. Die sogenannten Papillarmuskeln liegen unterhalb der Klappe und gehen vom Muskel der Herzkammer aus. Bei einer Kontraktion der Herzkammer kontrahieren sich auch die Papillarmuskeln und so werden die Segel der Klappe geöffnet und geschlossen.
Um Klappeninsuffizienzen zu beheben, werden in der Herzchirurgie Stuttgart vorwiegend neue Methoden angewendet, bei der die Klappensegel vollständig erhalten bleiben können. Als Ersatz für die überdehnten oder abgerissenen Sehnenfäden werden bereits vorgefertigte „Loops“ aus Gore-Tex-Fäden anstelle der kaputten Sehnenfäden am Papillarmuskel und an das betroffene Segelsegment genäht und damit das Durchschlagen verhindert. Diese Fäden übernehmen langfristig die Funktion der Sehnenfäden. Damit wird die ursprüngliche Klappenfunktion vollständig wiederhergestellt.
Seltener ist ein Durchschlagen von Teilen oder des ganzen vorderen Mitralsegels mit daraus resultierender Insuffizienz. Gerade bei komplexen Rekonstruktionen ist die neue Methode des Sehnenfädenersatzes von Vorteil, da das betroffene Segel über eine große Fläche neu aufgehängt werden kann.
Alternativ kommen die von dem französischen Kardiochirurgen Alain Carpentier entwickelten und bewährten "klassischen Rekonstruktions-Techniken" zur Anwendung. Durch Wegschneiden des betroffenen Segmentes und Vernähen der entstandenen Schnittränder (sogenannte "tri- oder quadranguläre" Resektion) entsteht ein kleineres, funktionstüchtiges hinteres Mitralsegel.
In ganz speziellen Fällen kann auch eine von dem italienischen Herzchirurgen Alfieri vorgestellte „Double-orifice“-Technik angewendet werden, bei der vorderes und hinteres Segel miteinander kurzstreckig verknüpft werden.
Als wesentliche zusätzliche Maßnahme wird routinemäßig ein Kunststoffring (Anuloplastie-Ring) eingesetzt, der die eigentliche Klappe umgibt und der den Klappenring vom Umfang her reduziert. Diese Maßnahme trägt zur Langzeit-Stabilisierung des Rekonstruktions-Ergebnisses wesentlich bei. In unserer Klinik steht ein breites Spektrum unterschiedlicher Klappenringe zur adäquaten Versorgung der verschiedenen Klappenerkrankungen zur Verfügung. Alle Anuloplastie-Ringe erfordern vorsorglich eine vorübergehende dreimonatige Blutverdünnung mit Marcumar. Nach dieser Zeit ist der implantierte Ring eingewachsen und stellt kein Embolierisiko mehr dar.
Mit dieser Vielfalt an Rekonstruktionsmöglichkeiten, die in unserem Hause zur Anwendung kommen, können fast alle Mitralklappeninsuffizienzen rekonstruiert werden. Nur in sehr seltenen Fällen ist noch ein Klappenersatz notwendig.
In den allermeisten Fällen können wir in unserer Klinik Eingriffe zur Mitralklappen-Rekonstruktion minimalinvasiv durch einen kleinen, etwa fünf Zentimeter messenden Schnitt an der rechten Brustkorbseite durchführen. In Deutschland bieten bisher nur wenige Zentren diese innovative Form der Herzchirurgie an. Bundesweit werden über 33 Prozent aller rekonstruktiven Verfahren in der Mitralklappenchirurgie über einen minimalinvasiven endoskopisch unterstützten Zugang operiert – Tendenz steigend.
Die Herz-Lungen-Maschine wird über die Gefäße in der rechten Leiste angeschlossen. In Kombination mit einer Videokamera bietet dieses Verfahren speziell im Rahmen der Mitralklappen-Rekonstruktion eine ideale Sicht auf das OP-Feld und entsprechend optimale Bedingungen. Eine Technik, die also nicht nur unter kosmetischen Aspekten von Vorteil ist.
Es bestehen grundsätzlich dieselben, wenn nicht sogar bessere Möglichkeiten der Rekonstruktion der Mitralklappe wie beim konventionellen Zugang über die sogenannte mediane Sternotomie, also dem Durchtrennen des Brustbeins.
Da bei der minimalinvasiven Vorgehensweise das Brustbein nicht durchtrennt wird, erhält der Patient schneller seine volle Mobilität zurück, bei insgesamt weniger Schmerzen nach dem Eingriff. Weitere Vorteile sind die geringere Beeinträchtigung der Atmung nach der Operation, sehr selten auftretende Wundheilungsstörungen, ein verkürzter Krankenhausaufenthalt sowie ein besseres kosmetisches Ergebnis.
Mit dieser Technik werden in unserer Klinik neben den Mitralklappeneingriffen auch Trikuspidalklappen-Rekonstruktionen, rhythmuschirurgische Eingriffe, Tumorentfernungen oder auch ein Verschluß des Vorhofseptumdefektes durchgeführt. Wenn ein solcher Defekt nicht mit einem sogenannten Schirmchen verschlossen werden kann, bietet die minimalinvasive Technik gerade bei jungen Erwachsenen und Kindern eine gute Alternative.